Narzissmus – was ist das? Hier die Erklärung.

Narzissmus – was ist das?

Den Begriff Narzissmus kennst du vielleicht und du weißt auch, dass das Zusammenleben mit einem Narzissten alles andere als einfach ist. Doch was bedeutet der Begriff eigentlich und wo kommt er her?

Grob gesagt bedeutet Narzissmus nichts weiter als Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung. Das bedeutet: Ein Narzisst hält sich für erheblich wertvoller und wichtiger als ihn die Menschen in seinem Umfeld einschätzen. Oftmals hält sich ein Narzisst sogar für das Zentrum der Welt, um den sich alles zu drehen hat. Problematisch wird Narzissmus allerdings nur, wenn diese Selbsteinschätzung sehr stark ausgeprägt ist. Denn bis zu einem gewissen Grad steckt in jedem von uns ein Narzisst. Das wiederum hängt mit dem Selbsterhaltungstrieb zusammen, den der Mensch im Lauf seiner Entwicklungsgeschichte einfach gebraucht hat. In Notfallsituationen denkt jeder zunächst einmal nur an sich und nicht an andere.

Woher stammt der Begriff Narzissmus?

Der römische Dichter Ovid hatte in seinem Werk „Metamorphosen“ die Geschichte eines Jünglings namens Narziss erzählt. Dieser hatte eine Frau und ihre Liebe verschmäht und wurde von den Göttern dafür mit einer unstillbaren Selbstliebe bestraft. Daraufhin hatte er sich in das eigene Spiegelbild verliebt, welches er im Wasser an einer Quelle erblickt hatte. Jedoch bleibt das Objekt seiner Liebe für ihn unerreichbar. Nach seinem Tod verwandelte sich der Jüngling schließlich in eine Narzisse.

Es sollte allerdings bis ins 19. Jahrhundert hinein dauern, bis der Begriff des Narzissmus auch von Wissenschaftlern verwendet wurde. So schrieb Samuel Taylor Coleridge, ein englischer Dichter und Philosoph erstmals anno 1822 in einem Brief über Narzissmus. Der französische Psychologe Alfred Binet zitierte Ovids Fabel schließlich 1887 in Zusammenhang mit einem Fall von sexuellem Fetischismus. In die Wissenschaft eingeführt wurde der Begriff des Narzissten schließlich 1899 durch Paul Näcke, einem deutschen Psychiater. Er bezeichnete den Narzissmus als schwerste Form des Auto-Erotismus und war sich durch diese Definition mit den Kollegen seiner Zeit einig. Diese betrachteten den Narzissmus nämlich durchwegs als ernste Geschlechtsverwirrung.

Aber auch Psychoanalytiker haben sich massiv mit dem Thema Narzissmus beschäftigt. Letztlich ist es Sigmund Freud, dem Vater der Tiefenpsychologie, zu verdanken, dass das Thema Narzissmus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Dieser hatte nämlich 1914 ein Essay mit dem Title „Zur Einführung des Narzissmus“ veröffentlicht, in welchem er den Begriff näher definierte.

Die verschiedenen Arten von Narzissmus

Freud unterschied zwischen dem primären und dem sekundären Narzissmus. Seiner Meinung nach durchläuft jeder Mensch während der oralen Phase der frühkindlichen Entwicklung den primären Narzissmus. Dies ist jene Phase, in welcher Kinder alles in den Mund stecken, weil sie die Dinge mit allen Sinnen erfassen wollen. Während dieser Zeit würden sich Kinder sich und die Mutter als eines sehen und könnten noch nicht unterscheiden. Deshalb würde sich die sexuelle Energie des Kindes ausschließlich auf sich selbst richten. Als sekundären Narzissmus bezeichnete Freud dagegen jene Formen des Narzissmus, welche sich erst in späteren Lebensphasen zeigen. Narzissten würden dann ihre sexuelle Energie wieder von äußeren Objekten abziehen und auf sich selbst richten. Als Ursachen für das Auftreten des sekundären Narzissmus nennt Freud Kränkungen des Selbstwertes und enttäuschte Liebesbeziehungen. Allerdings stand Freuds Definition des Narzissmus auch oft in der Kritik. Der Grund: In Freuds Erklärung blieben noch Widersprüche und Unschärfen, obwohl er seine Erklärung des Begriffes mehrfach abgewandelt hatte.

Theorien rund um den Narzissmus

In den folgenden Jahren beschäftigten sich auch weitere Psychoanalytiker mit dem Thema Narzissmus und entwickelten eigene Theorien dazu. So verwarf die österreichisch-britische Psychoanalytikerin Melanie Klein das Konzept des primären Narzissmus. Sie postulierte stattdessen die sogenannte Objektbeziehungstheorie. Das bedeutet, dass schon Säuglinge sowohl innere als auch äußere Objekte in ihre Fantasien und Liebe miteinbeziehen. Ihrer Meinung nach sei erst von Narzissmus zu sprechen, wenn der Betroffene sich von äußeren Dingen distanziert und sich selbst idealisiert. Sie verband den Narzissmus auch mit negativen Dingen wie Aggressionen oder Neid, was Narzissten im Alltag oft zeigen.

Der Psychiater und Psychoanlaytiker Heinz Hartmann fasste den Begriff des Narzissmus schließlich etwas präziser. Er sah das Ich, also die Persönlichkeit, als Ergebnis der Prägung durch Erinnerungen, Vorstellungen und Bilder, und diese Persönlichkeit könnte man schließlich auch selbst lieben.

Einen Schritt weiter ging der Psychoanalytiker Heinz Kohut, der das Selbst als „Zentrum des seelischen Universums“ betrachtete. Seiner Meinung nach haben Kinder drei elementar wichtige Grundbedürfnisse. Sie brauchen eine Person, der sie sich sehr nahe fühlen, ein Gefühl der Zugehörigkeit, aber auch eine von Aufmerksamkeit geprägte Beziehung zu ihren Eltern, um sich gesund zu entwickeln. Stimmt die Balance zwischen diesen Bedürfnissen nicht, kann sich nach Kohuts Meinung Narzissmus entwickeln.

Der Unterschied zwischen gesundem und pathologischen Narzissmus

Grundsätzlich ist eine Portion Narzissmus also nichts schlechtes, weil es sich um eine Entwicklung handelt, die jeder Mensch durchläuft. Besonders gut lässt sich das bei Kindern im Vorschulalter beobachten, die nur das Ich und die eigenen Bedürfnisse kennen. Dass sie sehr wohl auch Rücksicht auf andere und deren Bedürfnisse nehmen müssen, lernen sie erst, sobald sie im Kindergarten oder in der Schule in eine Gruppe integriert sind und sich an die dort geltenden Regeln anpassen müssen.

Von einer krankhaften Form des Narzissmus wird hingegen ausgegangen, wenn das Selbstwertgefühl auch im Erwachsenenalter nach wie vor übersteigert ist. Dies macht sich unter anderem dadurch bemerkbar, dass ein Narzisst andere Menschen auch in der Öffentlichkeit nieder macht, um nach außen hin selbst größer zu erscheinen. Das macht ein Narzisst insbesondere bei Menschen, die ihm sehr nahe stehen, bevorzugt bei seinem Partner.

Für die Opfer eines Narzissten ist dies insofern gefährlich, als der Narzisst diese in eine Art Abhängigkeitsverhältnis zu sich selbst bringt, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Weil die Opfer Angst vor Kritik – ob diese berechtigt oder unberechtigt ist, spielt dabei keine Rolle – haben, trauen sie sich schließlich irgendwann nicht einmal mehr, ohne die Zustimmung des Partners etwas zu machen. Obwohl sich Narzissmus durch verschiedene Therapieformen sehr gut behandeln lässt, gibt es dabei ein Problem: Der Narzisst sieht selbst nicht ein, dass er ein psychisches Problem hat, das dringend behandelt werden sollte. Fehlt diese Einsicht, ist jedoch jede Therapie von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil er nicht in der Lage oder Willens ist, entsprechend mitzuarbeiten. Ist das der Fall, bleibt den Opfern nur eine Möglichkeit: Sie müssen sich trennen und möglichst großen Abstand zum Narzissten halten. Andernfalls leiden sie – und das oft sehr lange. Hier findest Du meine Bücher (Hier klicken) 

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