Vergeben und vergessen – Wieso das so wichtig ist und wie man es lernt.
Menschen können einander furchtbare Dinge antun, und nicht immer ist es leicht, einem anderen zu vergeben. Manchmal ist der Verrat so groß, dass Vergeben und erstrecht das Vergessen unmöglich erscheinen. Doch es ist wichtig für den Seelenfrieden.
Gerade innerhalb enger Beziehungen können wir unendlich verletzt werden. Zu den größten Vergehen gehören Betrug und Fremdgehen des Partners sowie der Verrat eines nahestehenden Menschen. Wir durchlaufen in solchen Momenten eine Achterbahn der Gefühle: Schmerz, Frustration, Enttäuschung und Wut machen sich breit. Manchmal hassen wir den Menschen regelrecht, der uns Schlimmes angetan hat und sinnen auf Rache.
So zu empfinden ist normal und menschlich. Wer uns seelisch verletzt, verdient unser Wohlwollen nicht. Natürlich möchten wir, dass es dem anderen genauso schlecht geht. Natürlich können wir das, was uns angetan wurde, nicht vergessen und damit auch nicht vergeben. Doch genau das ist etwas, das wir immer wieder versuchen sollten.
Frauen fällt das Vergeben schwerer
Jeder Mensch geht mit Verletzung und Betrug anders um. Manchen fällt das Vergeben grundsätzlich leichter als anderen. Warum das so ist, lässt sich nicht genau sagen. Fakt ist jedoch, dass Frauen sich deutlich schwerer damit tun zu verzeihen als Männer. Se sind seelisch verletzlicher, deutlich emotionaler als Männer und nehmen Betrug in jeder Art auch persönlicher. Umso schwerer fällt es ihnen, diesen Verrat später zu verarbeiten und zu vergeben. Nicht ohne Grund heißt es, dass nichts so sehr zu fürchten ist wie die Rache einer Frau.
Doch Vergeben und Vergessen ist nicht nur ein Ideal, nicht nur eine Art Güte, die wir unseren Mitmenschen zukommen lassen sollten, sondern es ist auch wichtig für uns selbst, uns in der Kunst des Vergebens zu üben.
Rachegefühle und Wut zerstören innerlich
Wer einmal betrogen oder verraten, zutiefst verletzt wurde, weiß, mit welcher Wucht die negativen Gefühle und Gedanken auf die Seele treffen. Wir zerfleischen uns innerlich, bekommen allein bei dem Gedanken an das Geschehene Herzklopfen und zittern innerlich vor Wut. Unsere Gedanken drehen sich nur noch um den Verrat und die Rache. Wir können nicht loslassen und werden innerlich aufgefressen von der eigenen Unnachgiebigkeit.
Nicht vergeben zu können, heißt immer auch, keinen Seelenfrieden zu finden. Wir bleiben mit der negativen Erfahrung behaftet, können sie nicht abstreifen. Sie beschäftigt uns und prägt uns. Wir reagieren negativ und übertragen diese negative Schwingung auf bestehende und zukünftige Beziehungen. Es ist wie ein Gift, das sich in unsere Seele frisst. Das tut unserer Psyche nicht gut.
Auch körperlich können sich langfristig Folgen des Nicht-Vergebens zeigen: Herz-Kreislauf-Beschwerden, Magenbeschwerden usw. sind Ausdruck nicht verarbeiteter negativer Emotionen.
Warum sollten wir zulassen, dass dieses Gift unaufhörlich weiter durch unsere Adern fließt?
Im Alter werden wir versöhnlicher
Forschungen zeigen, dass ältere Menschen deutlich versöhnlicher sind als jüngere. Warum ist das so?
Mit fortschreitendem Alter wächst unser Erfahrungsreichtum, und wir bewerten Dinge anders. Wir setzen mit jeder Erfahrung, die wir machen, alles andere in Relation. Ältere Menschen wissen meist, dass es wichtigeres im leben gibt als sich an alten Geschichten festzubeißen. Sie wissen den Augenblick zu schätzen. Wenn die Lebenszeit begrenzt erscheint, ist man mehr dazu bereit, sich den positiven Dingen zuzuwenden und sich über Unwichtiges und Geschehenes nicht unnötig aufzuregen. Die Zeit ist zu kostbar.
Außerdem sind ältere Menschen ruhiger und reagieren weniger emotional wie jüngere.
Aus diesem Grund können Ältere deutlich besser vergeben. Von ihnen können wir viel lernen. Denn jeder von uns sollte seine Zeit als zu kostbar ansehen, als dass er sie mit negativen Gedanken und womöglich Handlungen verbringt.
Die Auseinandersetzung mit der Verletzung
Vergeben – vergessen: Das ist schnell und leicht gesagt, doch für die meisten nicht leicht umsetzbar. Wie kann man Vergebung erlernen?
Zunächst einmal muss die bewusste Entscheidung gegen den anhaltenden Groll getroffen werden. Der Mensch muss die Vergebung selbst wollen. Das bedeutet, ein wesentlicher Faktor dafür, ob Vergebung gelingt, ist, wie sehr man sich dieses wünscht und wie hoch womöglich der leidensdruck ist. Manchmal ist es leichter, einen Menschen einfach aus dem leben zu streichen. Doch je wichtiger uns die Beziehung ist, umso mehr sehen wir selbst eine Versöhnung herbei.
Wer sich für die Vergebung entschieden hat, muss sich mit der Verletzung auseinandersetzen. Er muss sich fragen, wieso er den Verrat oder den Betrug als so vernichtend empfunden hat. Was sind die Gründe für die enorme Verletzung? Vielleicht ist nun auch der Zeitpunkt, sich der Frage zu stellen: Wie konnte der andere mir das überhaupt antun? Welche Gründe hatte er?
Sich in den anderen hineinfühlen
Es ist wichtig, sich in den anderen hinein zu fühlen. Nur dann ist Vergebung möglich. Wenn wir verstehen, was den anderen zu dem Betrug brachte, sind wir in der Lage, uns in ihn hineinzuversetzen und uns die ehrliche Frage zu stellen: Wie hätte ich selbst an seiner Stelle gehandelt? Wir wissen in unserem tiefsten Inneren, dass wir selbst auch nicht perfekt sind. Hätten wir womöglich an seiner Stelle ganz genau das Gleiche getan? Ist die Handlung womöglich nachvollziehbar, ganz gleich, wie verletzend sie war? Oder lagen der ungeheuren Verletzung andere Motive zugrunde? Vielleicht wollte der andere uns nicht so verletzen, konnte das Grad der Verletzung nur nicht richtig einordnen?
All diese Fragen helfen uns zu verstehen. Und da, wo Verständnis ist, ist auch der Boden bereitet für Vergebung.
Vergeben ist Persönlich
Bevor du auf den anderen zutrittst und ihm Vergebung schenkst, ist es wichtig, das mit dir selbst auszumachen. Vergebung ist etwas Persönliches, das wir immer erst einmal mit uns selbst ausmachen. Sonst kann es passiere, dass du zwar die Worte „Ich vergebe dir“ aussprichst, emotional aber noch nicht soweit bist. In diesem Fall ist ein neuer Anfang unmöglich. In manchen Fällen kommt es sogar dazu, dass die beiden betroffenen Menschen nichts mehr miteinander zu tun haben, und Vergebung nur ein Akt im Inneren ist, um mit dem Thema endgültig abschließen zu können.
Innerhalb einer zwischenmenschlichen Beziehung, die nach der Vergebung weitergeführt werden soll (etwa eine Partnerschaft nach dem Betrug) bedeutet Vergebung nicht automatisch Vergessen. Was einmal zerbrochen wurde, lässt sich nicht immer reparieren. Narben bleiben zurück. In diesem Fall kann Vergebung immer nur die Basis für einen Neuanfang sein.