„Lass doch den Pickel in Ruhe!“
„Lass doch den Pickel in Ruhe!“
Manche Menschen spüren einen zwanghaften Drang danach, im Gesicht oder an anderen Bereichen der Haut zu knibbeln. Seit 2015 gilt dies als eine anerkannte Krankheit und kann sogar mit einer Verhaltenstherapie behandelt werden.
Die Betroffenen können mehrere Stunden damit beschäftigt sein, an Härchen, Pickeln oder Krusten mit den Fingern, einer Nadel oder einer Pinzette herumzupulen und sie zu malträtieren – manchmal sogar bis es blutet.
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Bei einer solchen Erkrankung kommen aber nicht nur Dermatologen, sondern auch Psychiater zum Einsatz. Denn es geht normalerweise weniger um ein körperliches Krankheitsbild, sondern vielmehr um eine psychische Störung.
Was genau hat es damit auf sich?
„Acné excoriée des jeunes filles“ wird übersetzt als „Kratz-Akne der jungen Mädchen“ oder auch Knibbelakne bezeichnet. Diese Störung wurde von dem französischen Arzt Louis Brocq im Jahre 1898 zuerst entdeckt.
Das zwanghafte Herumdrücken und Knibbeln an kleinen Unebenheiten und Pickeln kommt besonders häufig bei Mädchen und jungen Frauen vor und führt dazu, dass sich Kleinigkeiten weiter verschlimmern und sich die Haut auf Dauer verändert. Männer sind übrigens seltener von dieser Störung betroffen.
Leider kann diese Störung im Laufe des Lebens jederzeit auftreten. Häufig entwickelt sie sich jedoch im Pubertätsalter oder im frühen Erwachsenenalter. Aber auch bei Frauen zwischen 30 und 45 tritt diese Erkrankung häufiger auf.
Es handelt sich bei der Knibbelakne um eine Überreaktion der Betroffenen, die zu stark auf kleine Hautveränderungen reagieren. In vielen Fällen werden sich diese Hautveränderungen aber auch nur eingebildet.
Durch das Knibbeln an der gesunden Haut entstehen diese Veränderungen dann erst. Außerdem puhlen und knibbeln die Betroffenen besonders viel, wenn sei allein sind oder sich unbeobachtet fühlen.
Durch die ständigen Kontrollen und dem Knibbeln entsteht nach und nach eine Sucht, die nicht leicht zu stoppen ist. In dem Klassifikationssystem für psychische Störungen, dem DSM-5 („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“), gilt diese Erkrankung seit 2015 als „Skin Picking Disorder“ und ist eine offizielle Krankheit aus der Kategorie der Zwangsstörungen.
Die Betroffenen können Stunden damit verbringen vor dem Spiegel nach Unebenheiten und Pickeln zu suchen. Manchmal verwenden sie sogar Lupen, um die eigene Haut noch besser zu untersuchen. Ihr Ziel ist es, die Haut zu reinigen.
Zunächst einmal klingt das nicht schlecht. Aber leider tun sie dies auf eine krankhafte Weise für mehrere Minuten oder sogar mehrere Stunden am Tag, entweder mit den Fingern oder mit Werkzeugen.
Durch das viele Knibbeln können Wunden, die noch nicht ganz verheilt sind, wieder aufgerissen werden. Ständig wird gekratzt und gedrückt – und das tut der Haut eben nicht gut. Nicht selten kommt es zu schmerzhaften Komplikationen und Entzündungen.
Es ist eine Zwangsstörung, die nur schwer zu bändigen ist
Die Betroffenen wissen oft, dass das, was sie tun eine Besessenheit ist und dass es ihnen nicht guttut. Aber sie können nicht mehr damit aufhören. Besonders Hautunreinheiten wie etwa Pickel oder Mitesser können sie nur schwer in Ruhe lassen.
Sie befinden sich in einem Ekstase-ähnlichen Zustand, der einer Trance gleicht. Dabei wird gedrückt, gekratzt und gequetscht was das Zeug hält. Sogar Insektenstiche, Wunden, entzündete Hautstellen, Muttermale oder Narben werden nicht verschont.
Wenn du von dieser Störung betroffen sein solltest, dann solltest du sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie ist ähnlich wie eine Suchterkrankung und sie kann auf Dauer einen erheblichen Schaden anrichten. Wahrscheinlich ist dir sogar schon bewusst, dass du dir selbst schadest.
Hautreinigungen sind zwar wichtig, aber zu aggressives Vorgehen ist bei einer Akne besonders fatal. Wenn du der Versuchung nur schwer widerstehen kannst und es somit schon zu selbstverletzenden Handlungen bei dir kommt, kannst du dir ziemlich sicher sein, dass du unter der Knibbelakne leidest.
In vielen Betroffenen kommt auch das Gefühl von Vergnügen, Befriedigung oder Entspannung auf, wenn sie an der Haut knibbeln oder herumdrücken. Meist wird dieses Gefühl aber dicht gefolgt von Scham, Selbstvorwürfen, Reue und Schuldgefühlen. Wenn die Betroffenen aus dem Trance-Zustand heraustreten bemerken sie schnell, was sie getan haben und fühlen sich schlecht.
Man kann es ihnen aber nicht wirklich übelnehmen. Denn diese Handlungen sind ein Ventil für ihre innere Anspannung. Meist sind auch emotionale oder traumatische Erlebnisse ein Auslöser für solche Knibbel-Schübe.
Negative Emotionen wie Wut und Trauer, die zum Beispiel durch eine Trennung entstehen, aber auch Stress, Nervosität, Frustration oder Überforderung können durch das Knibbeln abgebaut werden. Jedoch nicht nur bei negativen Emotionen, sondern auch bei positiven Empfindungen wie Freude oder Aufregung, können diese Schübe auftreten. Zudem können Langeweile und Leere ebenfalls zu solch einem Verhalten führen.
Die Betroffenen haben sicherlich schon zur Genüge gehört, dass sie doch einfach mal die Finger vom Pickel lassen sollten. Meist helfen diese gutgemeinten Ratschläge aber nicht. Sie wissen ja, dass ihre Angewohnheiten schädlich sind und dass sie sich selbst damit verletzen.
Sie schämen sich sogar für ihr verhalten und fühlen sich schuldig. Aber auch die Einsicht und Vernunft kann ihnen nicht helfen, diese Verhaltensweisen abzulegen. Sie können vor allem nicht einfach über Nacht damit aufhören.
Wer zieht schon gerne in Betracht, dass er Hilfe von einem Psychotherapeuten braucht?
Die meisten Betroffenen wollen dies nicht wahrhaben und suchen sich stattdessen Hilfe bei einem Dermatologen. Dort kommen dann Medikamente zum Einsatz, die normalerweise zur Behandlung von Akne eingesetzt werden. Benzoylperoxid, Antibiotika oder Retinoide wirken zwar wunderbar gegen Akne, sind aber bei einer Knibbelakne eher nutzlos.
Die Betroffenen brauchen eine Behandlung, die darauf abzielt, die selbst zugeführten Verletzungen zu reduzieren, sowie das Verhalten einzudämmen.
Darum kann eine kognitive Verhaltenstherapie eher hilfreich sein. Sie kann den Betroffenen helfen, die Handlungen zu optimieren und besser zu kontrollieren. Aber auch Entspannungstechniken und der Einsatz spezifischer Psychopharmaka versprechen die Aussicht auf Heilung.